Donnerstag, 1. Februar 2024

Krankenkassen – Tainted Love

Wale leben von Plankton und anderen kleinen Meeresbewohnern. Die meisten davon kommen nicht mehr heil aus dem Walbauch heraus. 2.200 Tonnen Zooplankton zieht ein durchschnittlicher Grönlandwal jährlich durch seinen Verdauungstrakt. Die Stückzahl hat bei 0,2 Milligramm aschefreiem Trockengewicht pro Plankton jede Menge Nullen. Kann so in der Form kaum einer ausrechnen, auch weil der Wasseranteil nur näherungsweise zu bestimmen ist. Hängt halt mit am Salzgehalt und Gasanteil der Tiefenschicht, in der die Jungs eingesaugt werden. Aber Schwamm drüber. Analog hierzu sind Kontakte zu Fitnessinteressierten die Lebensgrundlage eines Sportclubs. Doch diese Menschen kommen völlig freiwillig durch die Tür und sind, wenn sie den Club nach einigen Jahren wieder verlassen, in deutlich besserem Zustand als vorher. Der Fitnessclub ist also ohne jeden Zweifel ein sinnvollerer Aufenthaltsort als ein Walbauch. Selbst wenn Sie Jona oder Pinocchio heißen, die es wieder raus geschafft haben. 

Doch solche Argumente überzeugen nur Wenige. Das sieht man an der geringen Beteiligung am anlagengebundenen Sport. Nur etwa 10,3 Millionen Personen waren bei uns Ende 2022 in einem Fitnessclub angemeldet, schätzt der zuständige Verband. Mit Blick auf die Alterung der Bevölkerung und unser fragiles Rentensystem ist das besorgniserregend. Auch Herz-Kreislauf-Störungen, Fettleibigkeit, Thrombose und Diabetes verbreiten sich aus diesem Grund rascher als nötig. Paradoxerweise ist seit 2019 unsere sporttreibende Bevölkerung um rund 1,4 Millionen Personen geschrumpft. Mit großem medialem Aufwand wurde den Menschen zwischenzeitlich empfohlen, nichts zu tun. Herumzusitzen, fernzusehen, nicht auf die Straße zu gehen. Das Arbeiten wurde verboten. Fitnessanlagen und Vereine geschlossen. Golfplätze sogar und Schachclubs. Man sollte nicht mit dem Boot fahren. Stand-Up-Paddling, zu riskant. Ja, geht’s noch? All das, obwohl ein aktiver Körper mit infektiösen Angreifern natürlich besser zurechtkommt als ein inaktiver. Kam dann später eine Kampagne zur Sportförderung? Endlich, jetzt aber ran an den Speck! Eher nicht. Haben wir zumindest nicht mitbekommen.

Dann sind da noch die Krankenkassen, welche manchmal auch Gesundheitskassen heißen. Leider haben nur wenige von denen verstanden, dass es in ihrem eigenen und dem Interesse ihrer Mitglieder liegt, die Ausübung von Sport zu fördern. Einige Betriebskrankenkassen tun dies, gewähren einen jährlichen Rabatt von 200 Euro oder mehr, solang Versicherte nachweislich trainieren. Datenschutz hin oder her, an der Theke stempeln wir in dem Fall so Zettel ab wie in den 70ern eine Trimmspirale vom Deutschen Sportbund. Macht Spaß. Doch für die meisten Kassen müssen Sie bewegungsunfähig sein, um einen Zuschuss zu Ihren Sportausgaben zu bekommen. Als ob es dann noch viel bringen würde. All das ist schade und völlig unnötig, wie uns die Schweizer zeigen. Die sind seit Jahren erfolgreich mit Sportförderung durch Krankenkassen. Aber natürlich haben die Berge. Da ist es klar, dass man ganz ohne Sport nicht weit kommt. Wir fördern jetzt Elektroautos, wohl um denselben Punkt zu machen. Die kommen ja auch nur bis zur nächsten Ecke. Ist einen Versuch wert.

Bei jungen Leuten spielen unsere Kassen Mäuschen. Bloß nicht melden, sonst kommen die noch auf Ideen, Geschlechtsumwandlung auf Rezept und so. Alte werden gern mit Medikamenten ruhiggestellt. Über den Zusammenhang zwischen Bewegung und Bluthochdruck, Schwindel, Rückenschmerzen oder Spaß an der Entwicklung des eigenen Körpers und Selbstwertgefühl schweigen die sich aus. Termin in der Praxis wieder Mitte nächsten Jahres. Sinnvolle Anreize sucht man in ihren Broschüren vergeblich. Kommt von denen mal ein Brief, dann geht es um Tariferhöhungen. Für ein sportlich aktives Leben nehmen die Kassen bei uns also dieselbe Position ein, wie bei Kafka der Wachmann am Tor zum Gesetz: Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meines Verbotes hineinzugehn. Ein großer Sportler war Kafka natürlich auch nicht, aber er konnte wenigstens schreiben.

Wir bleiben derweil hoffnungsfroh und warten geduldig darauf, dass die Leute bei den Öffentlich-Rechtlichen, Kassen oder Ämtern irgendwann aufwachen und einen Heureka-Moment haben: Sport, das ist es!


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