Sie benötigen fast eine eigene Leitung für diese Anrufe. Gemeint sind Cold Calls von Vertrieblern, liebevoll auch Strukkis genannt, der in Deutschland tätigen Fitnesskartensysteme. Dass es so viele verschiedene gibt, sollte Ihnen schon einmal zu denken geben. Anders als bei Handynetzen existieren nämlich weder Interoperabilitäts- noch Roamingvereinbarungen zwischen den Anbietern. Kurz erklärt, ein Kartensystem stellt sich zwischen Sie und die bei Ihnen Trainierenden. Es ist eine dritte Partei, die selbst einen Vertrag mit Fitnessinteressierten abschließt und auf dessen Basis den Zutritt zu Ihrer Anlage ermöglicht. Das klingt erst einmal nicht so gut, kann aber vorteilhaft sein. Ob in Ihrem Fall die Vorteile oder Nachteile überwiegen, sollten Sie sorgfältig analysieren. Und das ist gar nicht so einfach.
Die Anrufe laufen in der Regel so ab. Guten Tag, ich habe da einen großen Kunden in der Nähe Ihres Clubs, der spezifisch nach den Trainingsmöglichkeiten bei Ihnen gefragt hat. Das ist natürlich eine Lüge. Aber Lügen ist im Strukturvertrieb sowohl Kernkompetenz als auch Überlebensbedingung. Also gut, der ärgerliche Teil kommt erst noch. Sie fragen, wie viele Teilnehmer hat Ihr Kartensystem denn in der Stadt? Darauf erhalten Sie meist keine Antwort und, falls Sie eine bekommen, dann liegt der reale Wert meist zwischen 20 und 50% der gerannten Zahl. Danach fragen Sie, mit wie vielen Trainingsbesuchen kann ich denn monatlich rechnen? Da dies von der Teilnehmerzahl abhängt, die Sie nicht kennen, schauen Sie auch bei dieser Frage in die Röhre. Dann kommt Ihre dritte Frage, wie viel Euro erhalte ich denn pro Besuch? Üblich sind rund 10-15% Ihres regulären Monatsbeitrags. Der Betrag wird also meist zwischen 5 und 10 Euro netto liegen. Manche Kartensysteme fordern einen Mengenrabatt, wenn die Anzahl der Besuche bestimmte Schwellenwerte übersteigt. Ein solcher Abschlag reduziert Ihre Einnahmen pro Besuch um etwa einen Euro. Ein weiterer Faktor ist die Anzahl der teilnehmenden Anlagen in Ihrer Stadt. Ein Wert, der leicht auf der Webseite des Kartensystems zu ermitteln ist. Partnerbetriebe heißen die. Wie süß, das ist Ihre Konkurrenz.
Falls Sie eine mittel- bis hochpreisige Kette mit mehreren Anlagen in einer Großstadt betreiben, werden Sie an einem Kartensystem vermutlich nicht vorbeikommen. Die Kartensysteme haben in Metropolregionen Ihnen gegenüber den Vorteil, mit großen Firmen überregional wirkende Verträge schließen zu können. Über diese Verträge können Ihnen die Kartensysteme Kunden zuführen, an die Sie selbst nicht herankommen, weil die Personalabteilung in Ihrer Stadt über solche Verträge nicht entscheidet. Die irgendwo angesiedelte Personalabteilung der Zentrale interessiert sich nicht für Sie. Zudem haben Sie mit mehreren Anlagen am Ort die Chance, einen hohen Anteil der regionalen Trainingsbesuche der Nutzer des Kartensystems auf Ihre Anlagen zu lenken.
Betreiben Sie eine einzelne Anlage in einem Markt mit belebtem Wettbewerb, dann sind Ihr Anteil der Trainingsbesuche und somit Ihre Einnahmen aus dem Bonuspool vermutlich gering. Es sei denn, Sie betreiben die marktführende Anlage. Dieser Fall ist jedoch selten, und es stellt sich dann die Frage, ob Sie das Kartensystem überhaupt benötigen. Falls Sie eine Anlage betreiben, die allein auf weiter Flur steht, dann ist die Partnerschaft mit einem Kartensystem nur von Nutzen, wenn es einen oder mehrere wirklich große Kunden gibt, die ein Kartensystem verwenden und die Ihre direkten Avancen wiederholt abgelehnt haben.
Kartensysteme sind technisch gesehen häufig Insellösungen, die nicht mit Ihrer Studiosoftware kommunizieren. Das verursacht einen bestimmten Verwaltungsaufwand bei Ihnen in Bezug auf die Datenpflege und Zugangskontrolle. Haben Sie ein automatisiertes Zugangssystem und eine hohe Besuchsfrequenz, dann kann dieser Aufwand erheblich sein. Kartensysteme bieten zudem eine Alternative zur direkten Mitgliedschaft bei Ihnen. Von 100 Interessenten, die andernfalls bei Ihnen abschließen würden, werden sich nach Ihrer Partnerschaft mit einem Kartensystem nicht mehr 100 für eine direkte Mitgliedschaft entscheiden. Eine direkte Mitgliedschaft ist für Sie jedoch interessanter. Ihr Verwaltungsaufwand und diese Mindereinnahmen sind die Kosten der Zusammenarbeit mit einem Kartensystem. Diese sollten Sie mit den erwarteten oder tatsächlich empfangenen monatlichen Zahlungen des Kartensystems an Sie vergleichen.
Ein weiterer Faktor sind sogenannte Partnerverträge. Einige Kartensysteme fordern von Ihnen einen preisreduzierten Tarif für Ehepartner, Lebenspartner oder Kinder des Kartensystemnutzers. Klingt nicht gut? Ist es aber, dies sind die interessanten Fälle. Fordert ein Kartensystem keinen solchen Partnervertrag, dann bedeutet dies, dass das Kartensystem solche Verträge selbst anbietet. Falls letzteres der Fall ist, werden Sie vermutlich keinen Anstieg der direkten Mitgliedschaften in Folge Ihrer Zusammenarbeit mit dem Kartensystem verzeichnen. Auf die Auskünfte, die Sie in diesem Punkt vom Strukki erhalten, verlassen Sie sich besser nicht. Schauen Sie im Netz nach oder erkundigen Sie sich direkt bei dem Kartensystem, in dem Sie sich als branchenfremder Firmenkunde ausgeben.
Interessant ist, dass Kartensysteme in der Regel hohe Verluste schreiben. Dies ist dem harten Wettbewerb und der geringen Differenzierung der Anbieter geschuldet. Die Betriebskosten der Kartensysteme sind also deutlich höher als deren Einnahmen. Insofern dies nicht auf zu teuer gekaufte Wettbewerber oder ineffiziente Abläufe zurückzuführen ist, könnte dies bedeuten, dass Sie einen guten Deal bekommen. So ist es bis heute bei amazon, das mit dem Retailgeschäft kaum Geld verdient. Nur haben die Kartensysteme kein AWS, der Bereich, in dem amazon Geld druckt. Dies führt dazu, dass sich die Kartenanbieter alle gegenseitig kaufen und monströse Firmenwerte in ihren Bilanzen auftürmen. Diese werden dann abgeschrieben und drücken das Bucheigenkapital über Jahre an die Nulllinie. Kein Eigenkapital bedeutet keine Bankfinanzierung. Keine Bankfinanzierung bedeutet häufig Private Equity. Private Equity bedeutet, dass die Gründer mehr Firmenanteile und häufig die unternehmerische Kontrolle verlieren. Gängig daher die Umstellung auf IFRS. Dann können die potemkinschen Dörfer noch ein paar Jahre zu Anschaffungskosten weitergeführt werden. Vielleicht greift amazon am Schluss zu und manscht den Service in die Prime-Mitgliedschaft rein. Erst dann haben Sie als Betreiber ein richtig fettes Problem.
Es gibt also Situationen, in denen die Zusammenarbeit mit einem Kartensystem für Sie eindeutig vorteilhaft ist. Es ist auch klar, unter welchen Umständen diese keinen Sinn ergibt. In vielen Fällen wird aber weder das eine noch das andere der Fall sein. Wenn Sie sich also trotz der Analyse des Für und Wider nicht sicher sind, dann könnten Sie nach dem Kriterium der Partnerverträge entscheiden. Wird Ihr direkter Vertrieb aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Kartensystem durch die Abschlüsse mit Ehepartner, Lebenspartner oder Kindern des Nutzers gestärkt, dann versuchen Sie es. Der Engländer nennt das: Robbing a few gas stations on the way to the bank. Landen Ehepartner, Lebenspartner und Kinder des Nutzers beim Kartensystem und nicht bei Ihnen, dann lassen Sie es. Es gibt dann keine Tankstellen auf dem Weg zur Bank.