Freitag, 1. April 2022

Bodybuilding – We’re In This Together

Es ist eine recht weit verbreitete Fehleinschätzung, dass sich die Betreiber von Fitnessclubs nicht dafür interessieren, ob ihre zahlenden Mitglieder trainieren oder nicht. Inaktive Mitglieder kündigen rasch. Häufig vergehen nur wenige Wochen zwischen dem letzten Trainingsbesuch und einer Kündigung. Dies erklärt die typische Mitgliederfluktuation von 35% pro Jahr. Mitglieder zu einem regelmäßigen Training zu animieren, ist deshalb für Betreiber äußerst sinnvoll. Auch Mitglieder profitieren ohne Zweifel von regelmäßigem Sport, der sich mit Hilfe einer Clubinfrastruktur abwechslungsreich und wetterunabhängig gestalten lässt. Mitglieder und Betreiber haben somit unterschiedliche Motive, aber weitgehend übereinstimmende Interessen. Eine Win-Win-Situation.

Fitnessclubs standen früher für klassisches Bodybuilding; daher die landläufige Bezeichnung Muckibude. Doch das hat sich in den letzten Jahrzehnten gründlich geändert. Auch in einem Fitnessclub müssen Sie heute nach lupenreinen Bodybuildern suchen. Die Suche lohnt sich, weil Bodybuilder interessante Gesprächspartner sind. Sie stellen hohe Ansprüche an Ihre Infrastruktur und legen deren Schwachstellen schonungslos offen. Als Leistungssportler verstehen sie viel von Physiognomie und Ernährung. Zudem, jeden Morgen, wenn der Wecker rappelt, wünschen Sie sich, was Bodybilder im Überfluss haben. Muskeln? Nein, Disziplin. Tatsächlich sind die Motive, einen Fitnessclub zu besuchen, heute deutlich breiter gestreut als früher. Neben das Bodybuilding sind Gewichtsreduktion, therapeutische Aspekte, ausgeglichenes Ganzkörpertraining, allgemeines Wohlbefinden und die Suche nach Gleichgesinnten getreten. 

Viele Fitnessclubs sind heute also in erheblichem Umfang im Motivationsgeschäft tätig. Hierfür benötigen sie einen neuen Ansatz. Friedrich Jahn, dem Gründer der deutschen Turnbewegung, ging es um paramilitärische Ausbildung und den Sieg gegen Napoleon. Motivation durch Säbelrasseln. Sportvereine motivieren noch heute mit Gruppendruck. Wer nicht pünktlich jeden Samstag zum Training erscheint, dem fehlt es an Korpsgeist. Das war‘s dann mit dem Platz in der Mannschaft. Immerhin, früher wurde in Uniform gemobbt, heute im Trikot. Instagram-Models und Influencer propagieren ästhetische Idealbilder, die wie die sprichwörtliche Karotte zwar sichtbar, aber ohne Botox, Knochenraspel und Retusche kaum zu erreichen sind. Natürlich ist das harmloser als der nordische Gedanke von Hans Günther, einem Schamanen der Nazis, aber es bleibt irgendwie unterirdisch. 

Fitnessclubs außerhalb des harten Discountsegments sollten andere Wege gehen und den Einzelnen durch kontinuierliche Trainingsfortschritte motivieren. Fortschritte wohin? Wohin auch immer. Es ist nicht die Aufgabe eines Fitnessclubs, sportliche Ziele vorzugeben oder ein Idealbild des Körpers zu propagieren. Es sollen die Wünsche und Sorgen der Mitglieder analysiert und maßgeschneiderte Lösungen erarbeitet werden. Ganz oben auf der Liste? Wie viel Zeit und Energie jemand bereit ist einzusetzen. Erfolg in der Fitness fällt, wie im echten Leben, nicht vom Himmel. Er lässt sich aber, anders als im echten Leben, durch Fleiß mit Sicherheit erreichen. 

Sisyphus schafft das Unglaubliche, er rollt den riesigen Stein den Hügel rauf. Ganz rauf? Nein. Die Realität holt ihn ein, und der Stein rollt zurück, bis ganz nach unten. Früher, als die Physik noch nicht so weit war, hieß das Strafe. Heute nennen wir es Entropie. Ältere Menschen haben dafür ein anderes Verständnis als Junge. Dennoch ist es für beide wesentlich, zu verstehen, dass im Fitnessclub unabhängig vom Niveau der Anstrengung nichts final erreicht wird. Stattdessen ist man ständig unterwegs. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Fitnessclubs, die Bedeutung von Stetigkeit zu betonen. Dies geschieht auf zwei Arten. Einerseits durch direkte Ansprache, andererseits durch Anschauung. 

Für eine wirkungsvolle Ansprache benötigen Sie qualifizierte und engagierte Trainer, die Trainingsfehler aufdecken, Tipps geben und fordernde Sparringspartner sind. YouTube, Instagram & Co haben keine Qualitätskontrolle, da kann jeder posten, was ihm gerade einfällt. Habe ich so im Netz gesehen, sagt der Trainingseinsteiger und lässt beim Kreuzheben die überladene Langhantelstange auf den Boden krachen. Erfahrene Trainer sind in einem guten Fitnessclub durch nichts zu ersetzen. Ihre Leistung verursacht Kosten, welche die Mitglieder mit ihren laufenden Beiträgen gemeinsam tragen.

Für eine wirkungsvolle Anschauung benötigen sowohl Mitglieder als auch Betreiber vor allem Offenheit. Natürlich ist es möglich, einen Fitnessclub zur Förderung eines spezifischen Körperkults zu entwickeln, zu einer Art Instagram-Kanal mit angeschlossener Hardwareabteilung. Mit Offenheit können Sie auf großer Fläche jedoch etwas ganz anderes schaffen. Ein Umfeld, in dem sich fleißige Menschen treffen und gegenseitig motivieren. Fleißige Menschen jeden Charakters, jeder Körperform, jeder Ethnizität. Diese Vielfalt hat das Potential, Extreme einzuhegen. Während die Ansprache von Freunden oder Eltern nicht selten verpufft, sind professionelle Betreuung und Anschauung sehr wirkmächtig. 

Die Motivation zu einem beständigen Training und das bewusste Erleben von Vielfalt funktionieren in einem Fitnessclub sehr gut. Im Internet funktionieren sie oft gar nicht, weil Abos von Kanälen und ausgefeilte Algorithmen zur Nutzerbindung einen Tunnelblick auf Kuriositäten und unerreichbare Idealbilder fördern. Das Internet hat andere Stärken für Fitnessinteressierte. Es durchsucht die Welt ununterbrochen nach Neuigkeiten und begünstigt damit Innovationen aller Art. Betreiber finden dort spannende Trainingsgeräte. Aktiv Trainierende stoßen auf neue Übungen. Menschen, die vorher passiv waren, können im Netz durch Vorbilder oder Trends mobilisiert werden. Viele bleiben fleißig, auch wenn das damalige Vorbild und der Trend schon längst passé sind. 

Fitnessclubs und das Internet kamen beide in den 1970er Jahren zur Welt. Nur allmählich wird uns klar, dass sie ein richtig gutes Paar abgeben.


Clubdesign – Das Leben ist eine Baustelle

Jeder kennt diese Szene. Der Eigentümer war als junger Mensch in Griechenland und hat sich verliebt. Das Essen, die Leute, blauer Himmel, ge...