Es gibt Menschen, die genau wissen, was Sie wollen. Menschen, die mit Kopfhörern und einem starren Blick in Richtung Umkleide den Club betreten. Menschen, die den Gruß der Mitarbeiter an der Rezeption nicht wahrnehmen, auch die Handzeichen von Bekannten nicht, die sie auf ihrem Weg durch den Club passieren. Was diese Menschen in den nächsten zwei Stunden tun werden, steht fest. Das Trainingspensum ist abgesteckt. Jedes Gerät, jede Übung, die Gewichte und Anzahl der Wiederholungen. Plus-minus wenige Minuten wird das geplante Programm durchgezogen. Wir finden das beeindruckend, weil wir ein Training in dieser Form nie schaffen würden. Schon an der ersten Ecke bleiben wir hängen: Hey, wie läuft es, heute wieder Rücken? … und der Zeitplan ist dahin. Auch weil er natürlich nicht wirklich existierte.
Doch es gibt Menschen, die uns nicht beeindrucken. Menschen, die uns eher Angst machen. Das sind Leute, die nicht nur für zwei Stunden planen, sondern für Jahrzehnte. Die wissen, wie unsere Zukunft aussehen wird. Die uns erzählen, wie wir in 20 oder 30 Jahren leben werden. Weil es gar nicht anders geht, weil sich die Welt eben verändert und nur wir noch nicht verstanden haben, was das bedeutet. Diese Überzeugungstäter erinnern uns an alte Zeiten. In der Illias von Homer dreht sich angeblich alles um Ruhm und Ehre. Doch in Wirklichkeit ging es um eine ganz große Sache. Die ersten beiden Sätze der zeitgemäßen Übertragung von Raoul Schrott lauten: Die Erde, die von Menschen erdrückt wird, welche keine Gottesfürchtigkeit mehr kennen, bittet Zeus, sie von dieser Bürde zu befreien. Zeus zettelt zuerst den Krieg um Theben an, bei dem eine große Zahl von ihnen umkommt, und dann den trojanischen Krieg, bei dem er mit seinen Blitzen und Fluten den Rest von ihnen umbringen will.
Alles begann also auch damals mit einem Hilferuf der Erde und einer großen Vision. Dieser Zeus ist Menschen ähnlich, die uns in die von ihnen gewünschte Zukunft führen möchten. Visionäre, die sagen, dass wir kein Auto mehr fahren sollen, die Heizung runterdrehen müssen, dass Einfamilienhäuser schlecht sind, und wir künstliches Fleisch brauchen. Weil es einfach zu viele Menschen gibt. Was diese Leute verschweigen ist, dass ihre Forderungen nicht irgendwann, sondern heute, jetzt und hier, Leben kosten. Weil sie alles, was wir haben, wollen und tun, viel teurer machen. Selbstverständlich ist ihnen auch bekannt, dass es in Afrika, Asien, Osteuropa und bei uns eine Menge Leute gibt, die jede Münze zweimal umdrehen müssen. Menschen, die spitz auf Kante leben. Zwanzig Euro mehr bei Aldi, dreißig an der Tankstelle, vierzig auf der Nebenkostenabrechnung machen für diese Menschen einen spürbaren Unterschied. Sie gehen seltener aus, fristen ihr Dasein in kaltfeuchten Wohnungen, essen weniger, finden mangels Mobilität keine Arbeit. Ergo, sie leben aufgrund visionärer Vorschriften deutlich schlechter und kürzer als möglich. Sie ähneln dem Fußvolk, welches Agamemnon gegen die Mauern von Troja anlaufen lässt, während er selbst im Zelt sitzt und die Beute der letzten Woche durchschaut.
Damals wie heute ist die Lebensqualität und Freiheit ganz normaler Menschen ein Kollateralschaden im alles entscheidenden Kampf gegen, tja, … was auch immer. Und dies nur, wenn man es nett ausdrücken möchte, denn bei Zeus stand ja ganz unverblümt die Bevölkerungsreduktion im Schaufenster. Die war definitiv keine unerwünschte Nebenwirkung, sondern Sinn und Zweck der ganzen Aktion. Auch unseren selbsternannten Propheten kann niemand vorwerfen, sie seien ungebildet, dumm oder kurzsichtig. Denn sie wissen genau, was sie tun. Wüstensand ist klimaneutral, Menschen nicht, erst recht keine armen. Also erfinden unsere Visionäre fleißig Sachzwänge, die ihren Vorstellungen entsprechen. Verbreiten als Tatsachen verkleidete Hypothesen, die ihre Ziele rechtfertigen. Unterbinden die wissenschaftliche Diskussion verschiedener Standpunkte. Nennen Menschen mit abweichender Meinung Leugner. Schaffen - last but not least - ein immer dichter werdendes Netz von Zwang und Kontrolle.
Sie sind die moderne Ausgabe antiker Götter und Feldherren, die sich ebenfalls für unersetzlich hielten. Die meisten von denen waren natürlich Phantasiewesen. So wie die Götzen, welche derzeit in Berlin, Brüssel und Davos angebetet werden. Von denen man sich erhofft, dass sie jahrtausendealte Probleme wie Überbevölkerung, Ressourcenverschwendung und Unglauben endlich lösen. Statt den eigenen Verstand zu deren Bewältigung einzusetzen. Doch vor den Toren von Troja haben weder Helden noch Götter viel bewegt. Am Ende lagen jede Menge Schrott und Tote herum, damit jemand anders für ein paar Jahre die Zölle an den Dardanellen kassieren konnte. Mehr nicht. Für das Drama haben wir heute eigentlich ein Netflix-Abo. Doch obwohl wir das Ende der Geschichte bereits kennen, durchleben wir - live und in Farbe - eine Neuinszenierung dieses uralten Stoffs.
Im Vergleich zu den modernen Talkshowhelden, welche uns in ihre Schlachten führen möchten, sind Typen, die ohne links oder rechts zu schauen in den Fitnessclub kommen, fast schon liebenswert. Auch Arnie, der 1975 beim Mister Universe-Wettbewerb Lou Ferrigno ausgebootet hat. Im Nachhinein betrachtet sicher kein netter Zug von ihm. Doch muss schmunzeln, wer es heute anschaut. Zudem war das viele Training seine Privatsache, es hat keine Unbeteiligten geschädigt. Ganz im Gegenteil, es hat viele Menschen dazu motiviert, Sport zu treiben, positiv zu denken, an Erfolg durch Fleiß zu glauben. Nichts der Gleichen lernt man in der Illias oder unseren Massenmedien. Wir empfehlen für den Abend deshalb eine ordentliche Trainingseinheit, statt weiterer Episoden von Miosga, Maischberger, Illner oder Lanz. Das Fitnesstraining ist besser für Ihren Körper und bei diesen medialen Alternativen sicher auch für Ihren Geist.