Freitag, 1. November 2024

Fitnessgetränke – Dein Fallschirm und dein Rettungsboot

Sportliche Aktivität und Trinken gehören zusammen. Obwohl sich die mediale Aufmerksamkeit auf Energydrinks und Mineralgetränke richtet, ist Wasser heute das am weitesten verbreitete Fitnessgetränk. Doch das war nicht immer so. Denn in der Geschichte war das Fitnessgetränk Nummer eins Bier. Die älteste Brauerei industriellen Maßstabs wurde in Abydos, Ägypten, gefunden. Vor rund 5.000 Jahren wurden dort 22.400 Liter pro Zyklus hergestellt. Doch nicht nur im warmen Süden wurde Gerstenkaltschale für die Unterstützung körperlich anspruchsvoller Tätigkeiten genutzt. Ein Beispiel aus unseren Breiten sind die Floßknechte am Rhein, welche auf Basis einer Sechstagewoche 1.565 Liter Bier erhielten, pro Nase und Jahr. Warum?

Holz war das Öl des Mittelalters. Es wurde als Baustoff und Energielieferant überall benötigt. Besonders an den Küsten, wo der Schiffbau stattfand, stellte sich rasch großflächige Entwaldung ein. Dies erforderte den Transport großer Mengen Holz aus dem Landesinneren dorthin, über die Flüsse versteht sich. Die logistische Herausforderung ergab sich hierzulande neben Sandbänken, Quarzitriffen und Stromschnellen auch aus der Kleinstaaterei. An jeder Flussbiegung lungerten bis an die Zähne bewaffnete Zöllner herum, die ihren Tribut forderten. Ein Transporthemmnis dieser Art war der Mäuseturm in Bingen. An Mittel- und Niederrhein brachte dies eine Floßindustrie mit Fahrzeugen von oft 200, in der Spitze sogar 400 Metern Länge hervor. Ein moderner Flugzeugträger der Nimitz-Klasse bringt es im Vergleich nur auf 333 Meter. Diese gigantischen Flösse sollten Zölle und Wartezeiten reduzieren, wohl auch weil die Besatzung von 400 Mann die Truppenstärke so mancher Raubritterburg deutlich überstieg. Die Navigation dieser monströsen Wasserfahrzeuge oblag den Floßknechten, welche einen anstrengenden und äußerst gefährlichen Job hatten. Sie waren die Spitzensportler der damaligen Transportbranche. Jedem von ihnen stand ein Kontingent von 5 Litern Bier pro Tag zu. Auch aus heutiger Sicht ein solider Wert.

In modernen Fitnessclubs sucht man Bier vergeblich, obwohl das Training dort auch anstrengend ist. Dies ist der stabilen Versorgung mit sauberem Trinkwasser geschuldet. Denn so schwer Bierliebhabern das Eingeständnis auch fällt, Bier war damals kein Erfrischungsgetränk zur Unterstützung sozialer Interaktion. Es war schlicht der billigste Weg, Wasser lagerfähig und trinkbar zu halten. Auch war der Alkoholgehalt von 0,7 bis 1,5% so niedrig, dass Herbert Grönemeyers Welthit, Alkohol, wohl nicht entstanden wäre. Der Liedtext jedenfalls wäre für Floßknechte dieser Tage völlig unverständlich gewesen. 

Ob Floßknechte Energydrinks oder moderne Mineralgetränke bevorzugt hätten, bleibt eine offene Frage, weil es dieses Transportgeschäft so nicht mehr gibt. Obwohl EU und EZB es sicher großzügig finanzieren würden. Das Verbrennen von Holz ist für Eurokraten ja eine zukunftsweisende Technologie, seit man es Verwertung von Biomasse nennt. Doch die 1.565 Liter Bier pro Floßknecht wären heute als geldwerter Vorteil zu versteuern, und es gäbe wegen Alkohol am Arbeitsplatz jede Menge Ärger mit der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Tradition der Getränkeversorgung sportlich aktiver Menschen wird also voraussichtlich nicht wiederbelebt, weder am Rhein, noch im Fitnessclub, noch sonst irgendwo.


Dienstag, 1. Oktober 2024

Akquisitionsmodelle – Rebel Without a Cause

Eines der kurioseren Phänomene in der Fitnessbranche sind Firmen, deren einziges Ziel es ist, zu wachsen. In der Natur gibt es das selbstverständlich auch, in Form der Algenpest beispielsweise. In der Finanzbranche nennt man sie Buy-and-Build. Unglaubliches Geld wird verdient, wenn gut geführte Firmen weniger gut geführte aufkaufen. Sowohl die Margen als auch die Dienstleistung können so verbessert werden. Es ist eine rundum gute Idee. Im Prinzip. Denn in der Fitness funktioniert dies selten. Dabei hat es an Versuchen nicht gemangelt. Warum ist so es schwierig, auf die Fitness zu übertragen, was in anderen Branchen so einfach ist? Niederlassungen kaufen, eine größere Firma zusammenbasteln, weiterverkaufen.

Funktioniert hat dies in gewissem Umfang in der Schweiz. Dort ist die Fitnessbranche erfolgreich, weil Schweizer Krankenkassen eine feste Kopfprämie für Fitnessclub-Mitgliedschaften zahlen. Die Schweiz war daher lange ein Schlaraffenland für die Branche und somit auch für Buy-and-Build-Konzepte darin. 

In Deutschland ist das anders. Hier sind Buy-and-Build-Modelle am laufenden Band gescheitert. Dies hat mehrere Gründe. Einer ist, dass die Branche wettbewerbsintensiv und stark zersplittert ist. Die Umsetzung eines Buy-and-Build ist mühsam, wenn die Firmen, welche eingesammelt werden sollen, hartem Wettbewerb ausgesetzt und klein sind. Des Weiteren fehlt es an fähigen Managern. Dies erhöht im Laufe der Zeit die Zentrifugalkräfte. Der letzte und wohl wichtigste Grund ist, dass Fitnessclubs Retailgeschäfte sind. Diese erfordern stets erhebliches Können und Liebe zum Detail. Wie in der Mode verbreiten sich auch in der Fitness neue Trends rasend schnell. Schon für richtig gute Manager ist es anspruchsvoll, den Fokus auf derart dynamische Geschäfte aufrecht zu erhalten, wenn ständig neue Anlagen gekauft und integriert werden müssen. Den Fitnessmanagern hierzulande ist dies reihenweise misslungen, bisher zumindest.

Im Vorfeld des Scheiterns sieht es typischerweise so aus: Ein überfordertes Management erhöht die Wachstumsgeschwindigkeit, um Stärke zu zeigen. Die Menschen in den weit entfernten Büros der Finanzinvestoren bekommen den damit verbundenen Qualitätsverlust nicht mit. Auch weil er ihnen im Grunde egal ist, denn der Verkauf steht ohnehin bald an. Doch in eben diesem Augenblick streiken die Käufer. Der Prozess scheitert, wird neu aufgesetzt, scheitert erneut. Diese Firmen jedoch wurden nicht für die Ewigkeit geschaffen. Sie waren, wie man im Textilhandwerk sagt, mit der heißen Nadel genäht. Emotionen kochen hoch. Finanzer beschuldigen Manager und vice versa. Man trennt sich im besten beiderseitigen Einvernehmen. Leider hat der Nachfolger noch weniger drauf. Das Kartenhaus kollabiert.

Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Es gibt neue Ansätze und fähige Manager, die in der Branche etwas bewegen möchten. Wir sind gespannt, ob es diesmal klappt. Denn auch in der Fitness ist natürlich alles möglich. Falls sie wissen, was sie tun. Es lohnt sich wahrscheinlich, einen James Dean-Klassiker aus dem Jahr 1955 erneut anzuschauen. Dort fahren wagemutige Teenager in den Schlitten ihrer Eltern auf den Abgrund zu, um kurz vorher herauszuspringen. Operatives Können und Risikobereitschaft sollen so unter Beweis gestellt werden. Nicht immer klappt es. Der Film beweist jedoch, dass das Konzept des Buy-and-Build deutlich älter ist als die Fitnessbranche. 


Sonntag, 1. September 2024

Neumitgliedschaften – Verkaufen, verkaufen, verkaufen

Viele kennen dieses spektakuläre Muppets-Video - Das letzte Wort - und halten es für maßlos übersteigerten Klamauk. Das stimmt natürlich, aber es stimmt eben auch nicht. Der Druck im Verkauf ist da, und er ist manchmal brutal. Nicht so laut wie bei den Muppets, aber definitiv auch nicht so lustig. Druck im Verkauf ist ein beliebtes Thema in Funk und Fernsehen, weil er natürlich sinnvoll ist. Bis zu einem gewissen Grad. Mitarbeiter, die keine klaren Ziele haben, irrlichtern herum und sind in Folge oft unzufrieden.

Fitness gibt es mitunter auch ohne Verkauf. Ein Bekannter von uns arbeitet bei einer Kette, die eine Handvoll Clubs mit Saunen, Pools und stilvoller Holzoptik betreibt. Ein toller Trainer, genau so einen Typen möchten Sie haben, nicht auf den Kopf gefallen. Nur kennt er weder die Anzahl der Mitglieder noch die monatlichen Kündigungen oder die Preismodelle des Clubs, in dem er acht Stunden pro Tag arbeitet. Nicht so schlimm, sagen Sie, da gibt es sicher Verkäufer. Natürlich, die gibt es. Nur leider verstehen die nichts von Fitness und wechseln alle paar Monate den Arbeitgeber. Innerhalb weniger Jahre sind so bei dieser Kette 76 Mio. Euro Verluste aufgelaufen. Leider gibt es kein Licht am Ende des Tunnels, daher sind auch die bilanziellen Aktiva wertlos, 32 Mio. Zudem sind die zukünftigen Verpflichtungen aus Mietverträgen zu berücksichtigen, 74 Mio. Die Wertvernichtung beträgt daher seit Gründung rund 182 Mio. oder 26 Mio. pro Jahr. Inzwischen ist die Firma für 1 Euro an einen Frankfurter Beteiligungsfonds gegangen, war nicht anders zu erwarten.

Manche lagern den Verkauf vollständig aus. Ketten, die sich rein über die Marke und Niedrigpreise vermarkten, tun dies. Das kann funktionieren, wenn Sie sich günstige Standorte gesichert und Ihre laufenden Kosten im Griff haben. Das trifft jedoch längst nicht auf alle Spieler am deutschen Fitnessmarkt zu. Dementsprechend wüst sieht es hierzulande in den Bilanzen zahlreicher Ketten aus. So oder so, die komplette Auslagerung des Verkaufs führt über marktschreierische Werbung zu hartem Preiswettbewerb, Grüppchenbildung auf der Fläche, mangelhafter Hygiene und chronisch defekten Trainingsgeräten. Da professionelle Betreuung in diesem Konzept weder vorgesehen noch finanzierbar ist, übernehmen YouTube, Instagram & Co, zum Teil mit filmreifen Ergebnissen. Nicht selten für, Upps, die Pannenshow.

Also, ohne Betreuung und Verkauf innerhalb der Anlage geht es für die meisten Betreiber nicht. Manche sind der Meinung, dass man nur genug Druck ausüben muss, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Muppet-Style. Das ist das andere Ende des Spektrums, und es ist ebenfalls unschön. Es bedeutet, dass Mitarbeiter zu hoch gesteckte Ziele bekommen, die sie häufig verfehlen. Dies wiederum führt regelmäßig zu Stress und zum Ausfall von Bonus- oder Provisionszahlungen, welche im Schlepptau eine hohe Mitarbeiterfluktuation mit sich bringen. Dieser Druck wirkt sich auch auf die Trainierenden aus. Sie werden laufend von verzweifelten Mitarbeitern auf Abos für Mineralgetränke, Zehnerkarten für die Sauna und kostenpflichtige Trainerstunden angesprochen. Das nervt und kann bewirken, dass Mitglieder das direkte Gespräch mit dem Personal meiden. 

Anlagen, die zu wenig Aufmerksamkeit auf den Verkauf richten, bluten aus. Anlagen, in denen zu viel Verkaufsdruck aufgebaut wird, können kein stabiles Mitarbeiterteam aufbauen. Wir versuchen Folgendes: Mitarbeiter gut und, wenn die Ziele erreicht werden, besser bezahlen. Erläutern, wie viele Mitglieder ein Fitnessclub braucht, und welche Rolle dabei der Preis spielt. Keine Geheimnistuerei, offen und transparent mit Erfolg und Misserfolg umgehen. Erreichbare Ziele setzen. Den Verkauf nicht zum alleinigen Kriterium erheben. Ein Teil der Bonuszahlung muss erreichbar sein, auch wenn der Verkauf mal nicht so klappt. Eine kontinuierliche Entwicklung der Anlage anstreben. Keine Wachstumssprünge erzwingen, die teuer erkauft werden müssen. Das Wichtigste zum Schluss: Jeder Erfolg ist ein Team-Erfolg. Alle ziehen mit und alle profitieren.


Donnerstag, 1. August 2024

Virtual Fitness – Video Killed the Radio Star

Men in Black ist diese amerikanische SciFi-Serie, die humorvoll mit kosmologischen Konzepten spielt. Einmal wird eine Galaxie gesucht, die sich später als Anhänger eines Katzenhalsbands wiederfindet. Großes ganz klein. In einer anderen Folge wird ein Gepäckschließfach geöffnet, in dem eine als Buschmänner verkleidete Truppe von Schlümpfen haust, die eine Armbanduhr verehrt. Kleines ganz groß. Klamauk natürlich. 

Liest man jedoch bei hochkarätigen Kosmologen wie Max Tegmark nach, dann erfährt man, dass solche Perspektivwechsel zum Verständnis unseres Universums unerlässlich sind. Und tatsächlich, auch im Fitnessclub gibt es ähnlich gelagerte Phänomene. Sie nehmen die Form von Fitnessgeräten oder Kursräumen mit Bildschirmen an. Auf diesen Bildschirmen radelt man durch die französischen Alpen oder joggt die Fifth Avenue runter. Man lässt sich zum Yogakurs in ein balinesisches Kloster schalten. Die große weite Welt auf 23,8 Zoll in Full HD. Das geht alles auch von zuhause. Peloton heißt das Wunderwerk, ein Spinning Bike mit angeschraubtem Tablet. In amerikanischen Best-Ager-Sitcoms kippen die Leute regelmäßig ohnmächtig von diesen Teilen runter. Der Hersteller versichert aber, dass dies der Phantasielosigkeit der Serienautoren, nicht der Trainingsform geschuldet ist. Der Aktienkurs ist trotzdem im Keller. Die Fitnessbranche selbst ist hin und her gerissen. Einige Anbieter möchten Ihnen Räder, Laufbänder und Hantelbänke ins Wohnzimmer stellen, um Ihr Training zu einem Massiv Multiplayer Online Game zu machen. 

Die spontane unternehmerische Antwort ist klar: Stellen wir ein paar von den Teilen hin und schauen, was passiert. Werden sie benutzt, dann holen wir mehr, sonst war‘s das. Aber was passiert in Ihrem Club, wenn Sie den Versuch starten, das Trainingserlebnis zu virtualisieren? Zum einen ist dies ein teurer Spaß. Das Trainingsgerät ist eine langlebige Hochleistungsmaschine. Fest verbunden nun mit einem elektronischen Chip, der wenige Euro kostet und noch weniger Jahre hält. Eine unheilige Allianz. Zudem brauchen Sie gutes Internet, und zwar auch dann, wenn Netflix, Prime und Disney aus allen Rohren feuern. Letztlich kommt das Mitglied, das auf Ihrem interaktiven Laufband trainiert, gerade aus dem Homeoffice und hat dort stundenlang auf einen oder mehrere Bildschirme gestarrt. Wenn es bei Ihnen aufbricht, geht es oft ab nach Hause, zurück an die Bildschirme oder vor den Fernseher. Unterwegs werden WhatsApp und Snapchat gecheckt. Bringt Ihr Bildschirm am Laufband da wirklich einen Mehrwert oder reichen Sie zur Pause einen digitalen Energydrink, der weder gewünscht noch nahrhaft ist?

Am Ende entscheiden die Mitglieder. Vielleicht haben Sie teuren Elektroschrott auf der Fläche herumstehen oder möglicherweise kommt alles wie bei Minority Report. Dann lagen Sie richtig und können in ein paar Jahren über unsere haltlosen Bedenken schmunzeln. Falls Sie nicht so lange warten möchten, verfolgen Sie die Preisentwicklung gebrauchter Geräte mit und ohne Bildschirm auf fitnessmarkt.de oder bei Ebay. Dort finden Sie Ihre Antwort früher.


Montag, 1. Juli 2024

Veganismus – Back to The Roots

Wir haben großen Respekt vor Menschen, die auf den Konsum von Fleisch verzichten, ob sie sich jetzt vegan, lacto, ovo oder lacto-ovo vegetarisch ernähren. Diese Lebensweise erfordert Willensstärke und sendet eine Botschaft der Individualität an die Welt: Ich will anders sein, ich möchte es besser machen. Natürlich geht es vielen Veganern und Vegetariern zudem um das Tierwohl, was äußerst löblich ist. Aber auch, wenn dies nicht so wäre, beeindruckt die Grundeinstellung. 

My home is my castle - ist das stolze Motto der Engländer. Doch Veganer und Vegetarier gehen noch einen entscheidenden Schritt weiter: Sie selbst sind die letzte Bastion. Da läuft es einem in positivem Sinne kalt den Nacken runter. Wie in diesen amerikanischen Filmen, wenn Hauptdarsteller die Truppe zum Kampf rufen oder ihre Moralvorstellungen erläutern: Saving Private Ryan, Gladiator, Avatar, etc. Meist ernähren sich die Protagonisten dieser Filme jedoch nicht rein pflanzlich, selbst die Na’vi nicht, die ja Hollywoods Definition eines Naturvolks sind. Das liegt wohl daran, dass wir hierfür nicht konstruiert wurden. Deshalb erfordert eine rein pflanzliche Ernährung große Umsicht und Fachkenntnis, um Mangelerscheinungen zu vermeiden. 

Jahrhundertealte religiöse Traditionen werden häufig als Indiz dafür angeführt, dass die Vermeidung von Fleischkonsum nicht nur ethisch hochstehend ist, sondern auch gesundheitlich problemlos funktioniert. Ein prominentes Beispiel sind orthodoxe Hindus, wie die Brahmanen, Indiens Priesterkaste. Erste Zweifel an dieser Darstellung kamen in den 1970ern in England auf. Den dortigen Gesundheitsbehörden fiel damals auf, dass eine ungewöhnlich hohe Zahl orthodoxer Hindus einige Jahre nach der Übersiedlung ins Königreich an megaloblastärer Anämie litten, welche meist Folge von Vitamin B9- und B12-Mangel ist. Dies ohne Rücksicht auf ihren materiellen Wohlstand und ohne Veränderung ihrer Ernährungsgewohnheiten. Man stand vor einem Rätsel. Da die Engländer, anders als wir, im Gesundheitswesen gern auf belastbare und relevante Daten setzen, wurde eine wissenschaftliche Studie bestellt. Das Team schwirrte aus und führte landauf landab Interviews, nahm Lebensmittelproben, beschäftige Labore und recherchierte auch sonst, was so relevant erschien. 1975-76 lagen die Ergebnisse dieser Studie vor: Der Vegetarismus der Brahmanen war mehr Geisteshaltung als Ernährungsgewohnheit. In den Worten von Herbert Grönemeyer lautet die Frage: Wann ist ein Tier ein Tier?

Tatsächlich enthielt das Gemüse zuhause in Indien jede Menge nahrhafter Insekteneier und Larven, welche den kompletten Vitamin-B12-Bedarf, die Achillesferse einer strikt fleischlosen Ernährung, abdeckten. Das Problem in der neuen Heimat bestand darin, dass dieselben pflanzlichen Lebensmittel, welche nun in Supermärkten gekauft wurden, andere Produktions-, Reinigungs- und Verpackungsprozesse durchlaufen hatten. Die kleinen tierischen Begleiter waren darin nicht mehr oder nur noch in deutlich reduziertem Umfang vorhanden. Ähnliche Verhältnisse wie in Indien begünstigen den Vegetarismus wohl noch heute in Entwicklungs- und Schwellenländern. Auch hier bei uns haben im 18. und 19. Jahrhundert die Anhänger dieser Bewegung profitiert. Edeka, Rewe, Aldi, Alnatura & Co. haben inzwischen natürlich eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Heutzutage erfolgt die Synthese von Vitamin-B12, auch Cobalamin genannt, mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen. Das Vitamin ist ein weit verbreitetes Nahrungsergänzungsmittel und wird Fitnessgetränken, Cornflakes sowie Säuglingsnahrung zugesetzt. Zudem beruhigt es zu wissen, dass schon zwei Liter Bier, ein Sechserträger also, für den Tagesbedarf ausreichen. Trotz all dieser erfreulichen Lösungen wirft der Vorgang ein anderes Licht auf die lange Tradition vegetarischer Ernährung. Emotionslos betrachtet geht es auch beim Veganismus nicht um eine rein pflanzliche Ernährung, sondern eher darum, Organismen zu essen, die möglichst klein sind. Dies ist ressourcenschonend, umweltfreundlich und hilft im Idealfall, ideologisch geprägte Diskussionen zu vermeiden. Aber gut.

Menschen, die auch Fleisch essen, inspiriert am Vegetarismus ohnehin etwas anderes: Die Entscheidung, konsequent auf kleinerem Fuß zu leben; in Bezug auf Fleisch sogar in völliger Askese. Es gibt einen Film, der dieses Motiv aufgreift, Downsizing, mit Matt Damon und einem unvergleichlichen Christoph Waltz. Der Film ist leider nicht besonders gut, aber er regt zum Nachdenken an. Leute unterziehen sich dort einem unappetitlichen Prozess der physikalischen Verkleinerung, um die Welt mit ihrem geringeren Ressourcenverbrauch zu entlasten. Obwohl Vegetarier darin keine Rolle spielen, erinnert die Grundhaltung sehr an ihre Bewegung. Der Film drückt etwas Heroisches aus, das auch in jedem Veganer und Vegetarier steckt. Zudem ist dessen Kernbotschaft - Aus Weniger Mehr machen - natürlich unabhängig von der Körpergröße richtig.

Die Ernährungswissenschaften haben Mangelerscheinungen in Folge einer fleischlosen Ernährung inzwischen ausführlich analysiert und entschärft. Auch in Verbindung mit intensivem Fitnesstraining kann auf eine weitgehend pflanzliche Ernährung gesetzt werden. Somit bleibt einer der wenigen Kritikpunkte an dieser Ernährungsform der nicht selten mit ihr einhergehende Missionierungswille: Nicht nur ich will besser sein, sondern auch Du sollst besser sein. Dieser Standpunkt wäre ja noch in Ordnung, wenn der Mensch eigentlich für eine rein pflanzliche Ernährung geschaffen wäre. Der Konsum von Fleisch also eine Fehlentwicklung, so wie der von Energydrinks. Dem ist aber mitnichten so. Hinzu kommt, dass diese Einstellung eine der schönsten und glorreichsten Traditionen der Menschheit gefährden kann, das gemeinsame Essen.

Wir hoffen im Interesse aller Beteiligten, dass solch extreme Nebenwirkungen dieser bewundernswerten Lebensweise die Ausnahme bleiben. Kommt es aber dennoch hin und wieder dazu, dann empfehlen wir einen gemeinsamen Besuch im Fitnessclub. Dort geht es nicht darum, wie die Kilos auf die Rippen kommen, sondern wie man sie wieder los wird. 


Samstag, 1. Juni 2024

Leads – Smoke on The Water

Fitnessclubs leben von Menschen, die sich für Fitness interessieren. Bei uns heißen sie Leads. Von besonderem Interesse sind dabei natürliche Personen, die derzeit kein anlagengebundenes Training betreiben. Die Branche nimmt an, dass es zwei grundsätzlich verschiedene Kategorien von Leads gibt, aktive und passive. Aktiv bedeutet, dass der Betreiber einen gezielten Versuch der Kontaktaufnahme unternommen hat, beispielsweise über ein Preisausschreiben, in dessen Folge Namen und Telefonnummern eingesammelt wurden. Passiv hingegen bedeutet, dass die entsprechenden Personen von selbst, also ohne eine direkte Beteiligung des Betreibers, den Kontakt zum Club aufgenommen haben.

Betreiber sind in der Regel sehr stolz auf aktive Leads, nicht nur weil aktiv ein schöneres Wort ist als passiv, sondern vor allem weil diese Leads einen vertrieblichen Erfolg suggerieren. Wir haben etwas gemacht und, schau her, da sind die Ergebnisse. Auch wir mögen aktive Leads, aber nicht mehr so sehr wie früher, denn es gibt mit ihnen gleich mehrere Probleme.

Erstens. Vielen aktiven Leads liegt ein Verstoß gegen die DSGVO zugrunde. Sie erinnern sich, Datenschutzgrundverordnung, eines dieser Gesetze, die gut gemeint waren, aber absolut gar nichts gebracht haben, außer nervigen Bannern vor jeder Internetseite, die man erst mal wegklicken muss. Der Verstoß ist dadurch begründet, dass es beim physikalischen Sammeln von Leads häufig nicht möglich ist, eine seitenlange Datenschutzerklärung unterschreiben zu lassen.

Zweitens. Viele aktive Leads sind völlig wertlos, besonders dann wenn sie von nicht-geschultem Personal gesammelt oder über eine 0815-SEO-Kampagne aus den sozialen Medien generiert wurden. Die Abschlussquoten dieser Leadquellen sind äußerst gering, ein Prozent manchmal. Da die Gewinnung aktiver Leads meist erhebliche Ausgaben verursacht, sind die Kosten eines erfolgreichen Abschlusses astronomisch.

Drittens. Passiv klingt zwar nicht sonderlich gut, doch sind passive Leads natürlich die wertvollsten, die es gibt. Denn das Mitglied hat sich selbstständig die Mühe gemacht, Sie zu kontaktieren. Dafür liegt meist ein Grund vor, der mit einem Trainingswunsch in Ihrem Club verbunden ist. Die Abschlussquote passiver Leads ist daher sehr hoch, nicht selten über vierzig Prozent. 

Viertens. Die Einordnung in die Kategorien Aktiv und Passiv ist oft fehlerhaft. Sie basiert in vielen Fällen auf einem Versäumnis Ihres Teams. Passive Leads sind nämlich nicht nur solche, welche ohne Ihr direktes Zutun entstanden sind, sondern auch diejenigen, bei denen Ihre Mitarbeiter versäumt haben, die Frage nach dem Anlass der Kontaktaufnahme zu stellen. Haben Sie in der vergangenen Woche Flyer in die Briefkästen eines Wohnblocks gesteckt und kommt danach einer der Bewohner zu Ihnen, dann ist dieser Lead höchstwahrscheinlich aktiv, denn Sie haben ja etwas dafür getan. In Ihrem System bekommt dieser Lead dennoch meist den Stempel passiv.

Professionelle Illusionisten wissen: The closer you look, the less you see. So verhält es sich auch mit Leads. Eine wichtige Leadquelle sind Empfehlungen durch Freunde. Zufriedene Mitglieder sprechen gut über Sie und möchten vielleicht gemeinsam mit Bekannten bei Ihnen trainieren. Auch Google- und Facebook-Bewertungen, zumindest die von echten Menschen, basieren in der Regel auf der Zufriedenheit Ihrer Mitglieder. Verfügen Sie über motiviertes und gut geschultes Personal, achten Sie in Ihrem Club auf Hygiene und funktionierende Technik, besitzen Sie einen perfekten Mitgliederservice? Falls ja, dann bekommen Sie auch viele Empfehlungen von zufriedenen Mitgliedern. Falls das jedoch nicht der Fall ist, weil Sie das Geld für diese Dinge sparen wollen, dann bekommen Sie nur Wenige. Zufriedene Mitglieder sind kein Zufall und sie kosten jede Menge Geld. Geld, welches Sie bereit sein müssen, auszugeben. Ihre Entscheidung für diese Kosten wird bewusst getroffen. Und doch werden deren Ergebnisse, Leads durch Empfehlungen, meist als passiv kategorisiert.  

Daher ist eine der zentralen Steuerungsgrößen der Fitnessbranche, die Aktivquote, der als aktiv eingestufte Anteil der Leads, kaum relevant für Ihren vertrieblichen Erfolg. Denn die aktiven Leads Ihres Clubs, so schön sie auch aussehen mögen, bestehen, wie das Wasser unter den Schaufelrädern eines alten Mississippi-Flussdampfers, vor allem aus Schaum und Luftblasen.





Mittwoch, 1. Mai 2024

Ausgehen – In München steht ein Hofbräuhaus

Wie sich die Anzahl der Fitnessclubs in Deutschland entwickelt hat, ist sowohl erfreulich als auch leicht herauszufinden. 1.000 waren es vor 40 Jahren, im Vergleich zu 9.500 heute. Ganz anders ist das bei Kneipen. Denn, erstens, gibt es Kneipen in der Sprache der Statistik nicht und, zweitens, sind die Daten niederschmetternd. Denn diesem Sehnsuchtsort, der von Statistikern Schankwirtschaft oder getränkegeprägte Gastronomie genannt wird, geht es nicht gut. Noch 1994 gab es 73.000 Stück davon, nur 19.000 sind heute noch übrig. Das ist ein harter Schlag für sozialaktive Menschen, doch es gibt gute Neuigkeiten. 

Die Reihe der vermeintlichen Schuldigen für das Kneipensterben in den vergangenen 30 Jahren ist lang. Privatfernsehen, Videotheken oder Streamingdienste werden oft genannt, aber auch Lieferdienste für Essen und Getränke. Natürlich haben all diese Kandidaten einen Beitrag zum Niedergang der Kneipe geleistet, doch hauptschuldig ist wohl keiner von ihnen. Weil Kneipen bereits seit Gründung der Bundesrepublik verschwinden. Und auch, weil es einige der Beschuldigten faktisch nicht mehr gibt, klassisches Fernsehen und Videotheken beispielsweise. Doch deren Niedergang hat unseren Kneipen in keiner Weise geholfen. Marc Zuckerberg, der 2004 anfing, geklaute Fotos auf Facemash zu posten, hat diesen Trend wohl deutlich stärker beeinflusst. Etwa viereinhalb Stunden am Tag starren Menschen derzeit auf ihr Smartphone, hat die Marktforschungsfirma Data.ai erhoben, die Hälfte davon auf Angebote Sozialer Medien. Bisher jedenfalls, denn es sind Facebook & Co, die nun Grund zur Hoffnung geben.

Eine immer geringere Zahl von Menschen hält Soziale Netzwerke für geeignet, einem breiten Publikum ihre politischen Ansichten, Details zu ihrem Tagesablauf oder andere Trivia näherzubringen. Auch als Lieferanten von Schlagzeilen haben Soziale Medien ausgedient. Die öffentlichen Profile der Nutzer werden zunehmend mit platter Unterhaltung und Werbevideos geflutet. Folgt also auf den Nahtod der Kneipe nun das Sterben der Sozialen Netzwerke?

Wohl nicht. Doch der Trend, so schreibt der Economist kürzlich, geht hin zu privaten Chat-Gruppen bei Instagram, LinkedIn, WhatsApp, X oder TikTok. Eigentümer dieser neueren Apps sind meist dieselben Firmen, welche in den letzten Jahrzehnten Soziale Netzwerke entwickelt und betrieben haben. Der entscheidende Unterschied liegt also nicht beim Programmierer der Chat-Gruppen, sondern in deren Größe. Denn die sind so klein, dass ihre Teilnehmer leicht an einen Kneipentisch oder in einen Yoga-Kurs passen. Werden sich die Mitglieder dieser Gruppen zukünftig häufiger in der realen Welt treffen? Das ist anzunehmen, denn natürlich ist es einfacher, acht oder zehn Leute aus einem Chat zu mobilisieren als tausende Follower bei Instagram oder hunderte von Facebook-Freunden. 

Wir wissen nicht, ob Kneipen merklich von der steigenden Popularität der Chat-Gruppe profitieren werden. Als Fans gepflegter Rückzugsorte hoffen wir das. Doch wir wünschen uns auch, dass eine größere Zahl dieser zukünftigen Treffen bei uns im Fitnessclub stattfinden wird. Um so das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Selbstverständlich hilft Sport am Abend auch den gebeutelten Kollegen aus der Gastronomie, was uns zusätzlich freut und motiviert.


Fitnessgetränke – Dein Fallschirm und dein Rettungsboot

Sportliche Aktivität und Trinken gehören zusammen. Obwohl sich die mediale Aufmerksamkeit auf Energydrinks und Mineralgetränke richtet, ist ...