Für Mitarbeiter in diesem Ministerium ist eine Midlife-Crisis vorprogrammiert. Was mache ich hier eigentlich? Dafür ist weder ein Grüßaugust noch ein Münchhausen an der Spitze erforderlich. Es liegt an dem unglaublich komplexen Arbeitsgebiet dieser Behörde. 5,8 Mio. Menschen arbeiten hierzulande im Gesundheitswesen. Es gibt 716.000 stationäre oder teilstationäre Einrichtungen, zudem 71.000 Rettungsdienste und 433.000 sonstige Einrichtungen. Der Umsatz beträgt 364 Mrd. Euro jährlich. Angebot und Nachfrage sind feingliedrig reguliert. Die Anzahl der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ist auch für Fachleute vollkommen unüberschaubar. Fazit, nur wenige Arbeitsbereiche sind anspruchsvoller als dieser.
Das erfordert Grundprinzipien, welche über lange Zeit entwickelt und verfolgt werden. Sprunghaftigkeit führt in diesem Ministerium nie zum Erfolg. Die erwünschten Wirkungen und die tatsächlichen Folgen spontaner Entscheidungen klaffen nirgends weiter auseinander. Das wissen Menschen, die jahrelange Erfahrung im Gesundheitsmanagement besitzen. Kleine Schritte sind angesagt, keine spektakulären Aktionen. Und von überragender Bedeutung sind Zahlen, welche helfen, die komplexen Wechselwirkungen von Entscheidungen zu verstehen und daraus zu lernen. Klingt das nach dem Profil eines Ihnen bekannten Politikers? Wohl eher nicht.
Der Begriff Gesundheit suggeriert, dass medizinische und pharmakologische Kenntnisse erforderlich sein könnten. Solche erwirbt man durch akademische Ausbildung und jahrelange Praxis. Doch diese reichen bei Weitem nicht aus und sind für sich allein genommen völlig unzureichend. Denn die zivilgesellschaftlichen Auswirkungen der Entscheidungen dieses Ministeriums sind immens. Die Petrischale ist kein geeignetes Modell für ein Land.
Sowohl die medizinische Forschung als auch die Politik sind somit denkbar ungeeignete Orte, um nach Führungspersonal für diese Behörde zu suchen. Doch genau daher kommen die Chefs. Ein Grund hierfür ist unser Vertrauen in eine kompetente Bürokratie, welche die Kapriolen der Spitzenleute abpuffert und den größtmöglichen Schaden verhindert. Eine Vorstellung, die sich nicht zuletzt durch die britische Erfolgsserie - Yes Minister - aus den 80ern verfestigt hat. Seit 2020 ist jedoch klar, dass dieses Vertrauen unbegründet ist. Die Behörde, ihre nachgelagerten Institute und Ämter sind durchweg ausgelaugt und überfordert, sodass die Spitzenleute tatsächlich jede Menge Schaden anrichten können.
Um ein Moped zu fahren, benötigen Sie einen Führerschein. Um im Fitnessclub einen Trainingsplan zu erstellen, ist eine Trainerausbildung notwendig. Doch für den Spitzenjob in dieser Behöre ist neben der richtigen Parteizugehörigkeit nichts weiter erforderlich, als ein wenig zu winken und ausreichend Follower bei Twitter einzusammeln. Die hierfür angeführte Begründung lautet gemeinhin: Demokratie.
Doch trägt diese Begründung wirklich? Es gibt bei uns jede Menge Regeln, die nicht zur Wahl gestellt, sondern einfach konstatiert werden. Regeln, die so offensichtlich richtig sind, dass man sie leicht einem Vierjährigen erklären kann. Beim Autofahren gibt es beispielsweise die Gurtpflicht. Sie können einen Führerschein haben, Ihr Auto hat TÜV und ist versichert, Sie beachten die Verkehrsregeln, aber trotzdem dürfen Sie nur mit Sicherheitsgut fahren. Das ist eine Selbstschutzmaßnahme. Ärzte müssen ein mühsames Studium absolvieren, Leichen sezieren und sich im Krankenhaus einer modernen Form der Knechtschaft unterziehen, auch Praxisjahre genannt. Um eine Mittelspannungsanlage oder ein Kraftwerk zu reparieren, wird eine anspruchsvolle Ausbildung vorausgesetzt. Das ist Fremdschutz.
Beides haben wir bei der Besetzung von Führung und zentralen Schaltstellen dieses Ministeriums sträflich vernachlässigt. Für derart anspruchsvolle Jobs sind relevante Managementerfahrung, Fleiß und Integrität erforderlich. Alles andere ist unverantwortlich. Die Bürger verdienen mehr. Auch die Mitarbeiter im Ministerium, den Ämtern und medizinischen Einrichtungen, in angrenzenden Bereichen wie der Pflege, Sportvereinen und Fitnessclubs. Denn diese Menschen widmen ihr Berufsleben und bemerkenswerte emotionale Kraft der Gesundheit anderer.
Hierfür benötigen sie stabile und rational gestaltete Rahmenbedingungen, nicht Udo Lindenberg und das Panikorchester.
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