Manchmal denkt man, dass es sie nicht mehr gibt: Hintergrundmusik. So seltsame Tonfolgen, zunächst kaum hörbar, doch früher fast omnipräsent. In der Zahnarztpraxis, dem Einkaufzentrum, in der Lobby oder im Fahrstuhl. Klangen wie alte Hits, aber eben nicht allzu sehr, damit die Gema nicht gleich durchklingelt. Originalität und künstlerischer Anspruch waren folglich überschaubar: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Im Fitnessclub gibt es sowas nur selten. Rausgekramt wird das Material natürlich an Weihnachten, da kommt es faustdick. Wiederaufgekochte Versionen von Stille Nacht, Jingle Bells, White Christmas. Weil das Copyright ausgelaufen ist und die Lautsprecher von damals noch hängen. Dann rieselt es aus allen Ecken, und niemand, der das Pech hat, aus dem Haus gehen zu müssen, kann sich davor retten. Bei Ladenschluss am 24. ist es damit zum Glück vorbei.
Künstliche Intelligenz, KI, ist der Retter in der Not dieser einstmals verbreiteten, aber heute fast ausgestorbenen Kunstform. Dienste wie Chat-GPT, Bard, Claude oder Ernie Bot nutzen Datenbanken, um sinnvoll klingende Texte zu erzeugen. Sie produzieren Wortteppiche, die sich als Gedanken verkleiden. Hintergrundmusik in Textform. Microsoft hat kürzlich 10 Milliarden US-Dollar in ein nur wenige Monate altes Produkt des Forschungslabors OpenAI investiert. Natürlich ist diese Technologie phänomenal, für Übersetzungen beispielsweise. Die waren früher sehr mühsam. Zudem können diese Dienste vorhandenes Wissen systematisch darstellen: 1., 2., 3., 4., Vorteile, Nachteile, usw. Welches für viele Menschen eine enorme Arbeitserleichterung bedeutet, etwa so wie 1979 die Erfindung der Tabellenkalkulation. Heute kann jeder in Excel recht anspruchsvolle Berechnungen durchführen, auch ohne damals in Algebra besondere Leistungen gezeigt zu haben. Ein weiteres Gebiet, auf dem KI-Dienste solide Arbeit leisten, ist die Programmierung. Das sollte niemanden wundern. Es handelt sich bei diesen Teilen ja selbst um Software. Programmieren ist für die also wie für uns Rasenmähen, klar können die das.
Anders ist das - noch - beim Schreiben. Natürlich nur dem von Texten, durch die Menschen wirklich etwas mitteilen möchten. Also, was er, sie oder es über eine Sache denken, wovor sie Angst haben, was sie sich erhoffen. So etwas ist für diese Programme bislang noch schwierig, weil sie zwar über enzyklopädisches Wissen jedoch keinerlei Engagement und Verve verfügen. Denn sie scheren sich nicht um Inhalte. Doch Texte mit authentischen Inhalten sind ohnehin am Aussterben. Texte heißen heute Content. Sie werden eingesetzt, wie dieser gelbe Schaum, den man auf Baustellen um Fensterrahmen spritzt, damit es nicht so durchzieht. Blog, Insta, Twitter, Webseiten wollen gefüllt werden. Soundso viele Worte, Inhalt ist nicht egal, aber zweitrangig, solang die Form stimmt und korrekt gegendert wird. ChatGPT legt los und liefert gute Ergebnisse. Natürlich agierten Menschen, die früher solche Texte verfasst haben, auch wie Maschinen. Schreiben Sie mal was für meinen Termin nächste Woche. Wird gemacht, Chef. Oder denken Sie an das Geschwafel von Politikern, Presseerklärungen und so. Selbe Geschichte. Auch deshalb fällt der Unterschied zwischen Mensch und Maschine in der Praxis kaum auf.
Konsequent weitergedacht eröffnen sich spannende Perspektiven. Nicht nur gibt es jede Menge Anwendungen, in denen Chat-GPT wirklich besser ist als wir. Doch auch bei dem anderen Zeugs, wo das weniger der Fall ist, kann die Software echten Nutzen stiften. Wer hat schon Zeit, die ganzen Blogs, Chats, Posts und Onlineseiten zu lesen, Podcasts zu hören oder YouTube-Clips zu schauen? Computer natürlich. Die Zukunft dieser Medien sieht also wohl wie folgt aus: Jemand erfindet ein Content-Format, Chat-GPT schreibt die Texte dafür, liefert Videos und Musik, platziert alles in einer App, die dann von Computerschwärmen runtergeladen und geklickt wird. Andere KI-Programme werten diese App und einige Millionen ähnliche Quellen aus. Am Ende des Tages bekommt man als Kunde dieser Programme eine automatisierte Rückmeldung, die im Kern lautet: Im Westen nichts Neues. Das läuft einige Jahrzehnte so. Bis jemand die Frage stellt, ob wir die ganze sich selbst bespaßende Infrastruktur überhaupt benötigen.
Im besten Fall wird dann alles abgestellt, und wir reden wieder miteinander. Zunächst sicher etwas unbeholfen, wie in der Disco oder wie im Fitnessclub. Noch ne Cola? Wie viel Kilo packst Du denn heute drauf? Doch auf den Inhalt kommt es zu Beginn gar nicht an. Wir bauen die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation ja erst wieder auf, leisten Pionierarbeit. Vor zweihunderttausend Jahren hat sich das vermutlich auch etwas gezogen. Doch ist der Anfang erst einmal gemacht, das zeigt die Geschichte, dann gibt es kein Halten.
Wir im Fitnessclub sind froh, in der Sache einen Beitrag leisten zu können, ohne uns selbst oder irgendwen anders zu überfordern. Machen wir gern, gemeinsam mit Ihnen.
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