Sie wollen ein richtig großes Fitnessgeschäft aufbauen. Nicht ein paar Dutzend, sondern ein paar tausend Clubs. Wie geht das, und was ist dabei zu beachten? Beruhigend ist schon mal, dass Sie nicht der Einzige sind. Es geht also.
Zuerst benötigen Sie ein entsprechendes Einzugsgebiet. Die größte Fitnessgruppe der Welt hat 2.000 Clubs in den USA; das entspricht 165.000 Einwohnern pro Club. Hinzu kommen 430 Clubs in Australien; da sind es nur 60.000 Einwohner pro Club. Dann 134 Clubs in Japan; das sind fast 1.000.000 Einwohner pro Club. Letztlich noch Canada mit 135 Clubs und 280.000 Einwohnern pro Club. Betrachtet man Japan sowie Australien als Ausreißer und verbucht die USA unter Heimvorteil, dann kommen Sie global wahrscheinlich bei 250.000 Einwohnern pro Club raus. Praktisch heißt das: 3.000 Clubs in Europa, 3.000 in Amerika, 18.000 in Asien. Die Verteilung deutet schon darauf hin, dass gewisse Sprachkenntnisse sinnvoll sind. Mit Englisch kommen Sie nur auf rund 6.000 Clubs und ein paar zerquetschte.
Des Weiteren ist etwas Geduld nötig, wenn sich die Sache rechnen soll. Die größte Kette in Amerika wurde vor 20 Jahren gegründet, die größte in Europa vor 18, die größte in Deutschland vor 25. Damit es nicht zu stressig wird, rechnen Sie im Schnitt mit etwa 300 Neueröffnungen pro Jahr und Region. Das kann man toppen, aber nur mit einem Akquisitionsmodell. Dieses ist deutlich teurer und sollte deshalb lediglich für den regionalen Markteinstieg, nicht aber für den Roll-Out genutzt werden. Zudem besitzen Fitnessanlagen einen Lebenszyklus, der endlich ist. Am Anfang merkt man das nicht, aber nach 10 bis 15 Jahren kommen die Einschläge näher. Dann müssen Sie eine stetig wachsende Zahl von Schließungen durch Neueröffnungen kompensieren. Das ist natürlich eine nennenswerte Wachstumsbremse. Diese Tatsache wird bei Investorenpräsentationen aber nicht überbetont. Da türmen sich die Balkensegmente übereinander, bis sie nicht mehr auf die Seite passen. Fragen? Keine. Als Analyst Mitte 20 hat man andere Sorgen.
Der Firmensitz ist mit Bedacht zu wählen. Die Klassiker wie Steuern, Behörden und Geldwäscheregeln sind klar. Aber auch die Rechnungslegung, welche sich regional unterscheidet, sollten Sie im Auge behalten. Firmenwerte, die durch Akquisitionen entstehen, sind in der Fitness so eine Sache. Spätestens wenn Sie alte Anlagen zusperren, müssen Sie die Differenz zwischen Kaufpreis und Sachwert abschreiben. Für den Erwerb einer hochwertigen Kette mit regional marktbeherrschender Stellung haben Sie inklusive Rebranding in etwa Anschaffungskosten von 2 Mio. Euro pro Club. Da die Sachwerte gering sind, bedeutet dies bei Schließung rund 2 Mrd. weniger Eigenkapital auf 1.000 gekaufte Anlagen. Telefonieren Sie zu viel mit Ihrem Investmentbanker, dann wird dieser Betrag mit einer Verzögerung von 10 Jahren leicht zu einer jährlichen Abzugsposition. Hier bei uns ist die Firmenwertabschreibung ratierlich ab dem ersten Jahr fällig. Das ist im Normalfall für Beteiligungen und Marken ein unsinniges Konzept, zu begründen nur durch das Erscheinungsjahr des zugrundeliegenden Gesetzes: 1897. Kurioserweise ist es diesmal jedoch ein Beispiel dafür, dass das deutsche Handelsrecht mitunter auch mal ein realistischeres Bild zeichnen kann als die moderneren Regelwerke IFRS und US GAAP. Für Sie ist das natürlich keine so gute Sache, weil Ihr Eigenkapital von Anfang an unter Druck steht. Tja, die Preußen, alte Spielverderber. In Deutschland können Sie seit einigen Jahren auch IFRS nutzen, doch bleibt unsere Heimat als Firmensitz ungeeignet. Hier fehlt schnelles Internet, bald können Sie die Bude nicht mehr heizen und müssen Kerzen einlagern, falls der Strom knapp wird. Ansonsten sind Sie natürlich willkommen. Ab Montag wieder. Termin über die Internetseite. Falls das nicht klappt, noch mal melden. Sonst die Woche drauf.
Eine Strategie ist als roter Faden für Ihr Projekt unabdingbar. Um ein paar tausend Clubs können Sie sich so im Detail nicht mehr kümmern. Das bedeutet, dass Ihre Anlagen nach der Eröffnung mehr oder weniger Selbstläufer sein müssen. Ergo, Sie werden sich über den Preis vermarkten, harter Discount. Im Augenblick ist das schwierig, wegen der Inflation. Die zerstört Ihre Grenzpreise, bei uns 14,99 oder 19,99. Dieses Problem kann sich aber wieder abschwächen. Nur liegen Ihre Preise dann eher bei 29,99 oder 39,99, was zumindest aus heutiger Sicht nicht so sexy klingt. Das sind dann aber vermutlich ohnehin keine Euros mehr. Muss man abwarten. Neues Spiel, neues Glück.
Natürlich benötigen Sie eine Finanzierung. Der Marktführer in Europa hat eine Bilanzsumme von 2,3 Mio. Euro pro Club, die größte Kette in Deutschland hat 1,2 Mio. Dieser Unterschied entsteht durch die relative Wachstumsgeschwindigkeit, den Akquisitionsanteil und Kickbacks, die Ihr Team und die Berater einsacken. Je rascher Sie wachsen wollen, desto mehr Geld müssen Sie in die Hand nehmen. Ein bisschen Schwund ist immer; rechnen Sie deshalb mit dem Mittelwert. Für das volle Programm, 24.000 Clubs, benötigen Sie rund 42 Mrd. Euro. Für den Fall, dass sie hier in Europa bleiben, sind es lediglich 5 Mrd. Dasselbe natürlich für Amerika. Firmen in dieser Größenordnung können relativ viele Schulden aufnehmen. Für die große Nummer benötigen Sie dennoch etwa 10 Mrd. Eigenmittel; für die Europa-Amerika-Kombi 3 Mrd. So etwas kann sich zwar grundsätzlich eine ganze Reihe von Leuten leisten, aber erfahrungsgemäß kommen als Finanzierer in erster Linie Private Equity oder die Börse in Frage. Gerade jetzt, wo die Russen raus sind. Aber wer weiß, vielleicht geht da noch was über Zypern oder Panama. Sollte man dann jedoch nicht an die große Glocke hängen. Am besten leiten Sie alles über China, da blickt sowieso keiner durch.
Das führt uns zur Frage des Management Teams, und dort haben Sie ein größeres Thema. Sie müssen natürlich abwägen zwischen Erfahrung und Alter. Sie wollen jemanden, der sich auskennt. Doch darf er oder sie aufgrund der Projektlaufzeit nicht zu alt sein. Wir schätzen, dass Sie sich am Ende für jemanden zwischen 40 und 45 Jahren entscheiden werden. In dem Alter hat man schon ein bisschen was gesehen, kann die Sache aber noch vor der Rente eintüten. Auch sind die Kinder dann schon in einem flugtauglichen Alter. Der nächste Punkt ist die Nationalität. In Deutschland brauchen Sie mit der Suche gar nicht erst anzufangen. Hier gibt es niemanden, der geeignet ist. In Europa sind lediglich England und Holland aussichtsreiche Jagdgründe. Die Leute dort sind kommerziell eingestellt und weltgewandt. England hat eine lange Tradition im Handel, ist aber außer im Banking schwach in der Dienstleistung, Fitness sowieso. Auf den Tisch, Hose runter und losgrölen, das war‘s mehr oder weniger mit dem Sport. Ohne Zweifel interessante Typen, aber eher nicht für dieses Projekt. In Holland sind alle auf Zack und es gibt dort smarte Manager, auch in der Fitness. Dennoch würden wir da nicht suchen, zumindest nicht als Deutsche. Ihre Chance auf Erfolg liegt nahe null. Falls Sie in Asien fündig werden, bleibt es bei den 18.000 Clubs dort. Amerika und Europa sind dann außen vor. Die schafft wegen der kulturellen Unterschiede kein Asiate. Deshalb haben Sie für den Spitzenjob in Amerika die besten Aussichten. Ein hochkarätiger Manager aus den USA bringt Ihnen die 6.000 Clubs in Europa und Amerika. Wahrscheinlich eher einer von der Westküste als aus New York oder Atlanta, obwohl der das Europageschäft sicher etwas schleifen lässt. Ein Manager aus Kalifornien findet vermutlich sein Pendant in Asien und schafft Ihnen auch dort die nötigen Clubs ran. Flugzeit 12 Stunden 50 von Frisco nach Shanghai, das ist OK. Reicht allemal für ein Nickerchen und ein paar Akten. Ohne Amerika ist eine Fitnesskette mit globalem Anspruch undenkbar. In Asien ist das meiste zu holen. Europa ist lediglich das Sahnehäubchen.
Eine Mrd. Euro sollten Sie als Startgeld mitbringen. Dafür können Sie zum Beispiel den deutschen Marktführer kaufen, wenn Sie sich beeilen. Vielleicht ein bis zwei weitere Mrd. für Supermonkey, Will‘s oder CSI-Bally aus China. Solche Deals sind ein guter Aufhänger für die Kick-off-Party. Über deren Location muss man noch mal nachdenken, zumindest solange die Kapazitäten von Blue Origin und SpaceX so limitiert sind. Möglich wäre, das Partymodul für die ISS schon mal anzustoßen; diese Dinge haben einen gewissen Vorlauf. Planen Sie dabei lieber etwas größer, weil man einfach nicht weiß, wieviel von der ISS dann noch übrig ist. Wegen des ganzen Weltraumschrotts. Auch die Musik ist so eine Sache. Für den westlichen Gig vielleicht Elton John wegen Rocket Man? Falls der den Gesundheitscheck schafft. Sonst eben Ariana Grande, sobald die von der Flasche weg ist. Zum Glück ist der Asien-Gig gesetzt, Peng Liyuan. Bei der brennt aufgrund ihrer Vorgeschichte in der Volksbefreiungsarmee wohl nichts an. Den Gesundheitscheck lassen Sie trotzdem besser im Kosmodrom Jiuquan machen. Da traut sich definitiv keiner, den Mund aufzumachen, wegen ihres Alten.
Also, Sie haben ein tolles Projekt, und Sie wissen, dass es zu schaffen ist. Sie sollten jedoch berücksichtigen, dass es zu einem Vollzeitjob ausarten und Sie ziemlich viel auf Achse sein könnten, die nächsten 15 oder 20 Jahre. Danach wird es ruhiger.
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