Freitag, 1. Juli 2022

Fitness-Apps – Der Spion, der mich liebte

Sie ist stets freundlich. Sie kennt die Welt. Sie hat erstaunliche Fähigkeiten. Sie ist vernetzt und sieht gut aus. Liebe auf den ersten Blick, zur Fitness-App. Wäre die nicht etwas für unsere Mitglieder? Fitness Apps können außer einem ansprechenden Design auch tolle Funktionen enthalten: Trainingspläne, Ernährungstipps, Kalorienzähler, Trainingsvideos, Chatbots, Bloggerkanäle, Fitnessnachrichten, Bonussysteme, aktuelle Mitteilungen aus Ihrem Club. Kundenbindung hoch drei. Tja, wenn da nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wären, die AGB der Fitness-Apps.

In denen steht nämlich, dass der App-Anbieter einen kostenfreien Zugang zu Ihren Mitgliedern erhält und deren Aktivität rund um die Uhr verfolgen darf. Er kann clubunabhängig Kontakt zu ihnen aufnehmen, zum Beispiel um einen Wettbewerber anzupreisen, der eine Provision für die Kontaktvermittlung zahlt. Er darf Ihren Mitgliedern Fitnessprodukte verkaufen oder Personaltrainer empfehlen, bei denen er mitverdient. Er ist befugt zu behaupten, technische Geräte oder therapeutische Maßnahme irgend eines Anbieters seien besonders gut. Kurzgesagt: Fitness-Apps sind Werbeplattformen.

Ja und? Die gibt es im Netz doch an jeder Ecke. Das stimmt natürlich, aber im Netz steht Ihr Ruf als Fitnessbetreiber nicht auf dem Spiel. Diese spezifische App soll mit Ihrem Logo geschmückt und von Ihnen empfohlen werden. Falls Sie einen Weltklasse-Service bieten, dann muss die App ja wohl auch richtig gut sein. Doch ist sie das? Eine Fitness App ist letztlich nur Software, die Menschen beobachtet und anderen auf Basis der gesammelten Daten ein ähnliches Verhalten empfiehlt. Ob diese Empfehlung für Ihr Mitglied richtig ist, das wissen Sie nicht. Im Zweifel steht der Rat Ihrer Trainerin, die das Mitglied kennt, gegen die Empfehlung einer Trackingsoftware. Der Rat Ihrer Trainerin kann falsch sein, aber der Rat der Software eben auch. Der Unterschied? Ihre Trainerin hat eine relevante Ausbildung, Trainingserfahrung und besucht regelmäßig Fortbildungen. Die Software macht, was im Algorithmus steht.

Einige Programmierer solcher Apps brüsten sich damit, inhaltlich von der Sache gar nichts zu verstehen, sondern einzig und allein den Daten zu vertrauen. Schwarmintelligenz wird das genannt. Ein Ansatz, der im Gesundheitswesen derart erfolgreich ist, dass es 50 Jahre nach Erfindung des Internets in Deutschland noch 65.000 Arztpraxen gibt, in denen Menschen eine individuelle Beratung suchen. Hinzu kommen 160.000 Physiotherapeuten, die ebenfalls persönlich betreuen. Unterschlagen wir mal Fitnesstrainer, Homöopathen, Logopäden, Psychologen und so, die ähnliches tun. Ein Videoclip, den ein Algorithmus heraussucht, wird schnell geschaut und direkt wieder vergessen. In Bezug auf unsere Gesundheit vertrauen wir lieber Menschen, die wir sehen und anfassen können. Möglicherweise ist das ein Relikt aus unserer Entwicklungsgeschichte. Doch das trifft letztlich auf fast alles zu, was wirklich Spaß macht.

Digitalisierte Trainingspläne und Lernvideos zu Fitnessübungen auf dem Smartphone sind sinnvoll. Mitglieder unaufdringlich über geänderte Öffnungszeiten oder neue Angebote im Kursprogramm zu informieren auch. Doch vermutlich stellen Sie in Ihrem Club weder Mitgliederlisten noch Anamnesebögen auf die Theke. Ebenso wenig sollten Sie Ihre Mitglieder reihenweise dazu animieren, sensible Informationen an Leute weiterzugeben, deren fitnessbezogene Kompetenz und Einstellung zum Datenschutz Sie nicht kennen.

Zudem existiert große Vielfalt: Es gibt Apps für Läufer, für Bodybuilder, für Turner, für Yoga-Begeisterte, für entspannte Freizeitsportler und für Kalorienzähler. Es gibt Apps, die sich auf eine einzige Trainingsform beschränken, und Apps, welche vor allem Nutzer vernetzen möchten. Im Idealfall kennen Ihre Mitarbeiter die wichtigsten Fitness-Apps, weil sie selbst begeisterte Sportler sind. Dann können sie App-Interessierte zu den Stärken der einzelnen Programme beraten oder den Kontakt zu anderen Mitgliedern herstellen, die diese nutzen.

Am Ende sollten Ihre Mitglieder jedoch selbst entscheiden, welcher digitale Assistent ihr Training am besten unterstützt und wie viele persönliche Daten sie an diesen weitergeben möchten.


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