Montag, 1. August 2022

Clubschließung – Can you hear the drums Fernando

Einen Flugzeugträger kauft man, weil man Leute beeindrucken möchte. Obwohl er weitgehend nutzlos ist. Viel zu groß und leicht mit selbststeuernden Raketen zu zerpflücken. Sie schießen einfach genug davon ab, bis die Kollegen an Bord nachladen müssen. Das wars dann. Einen Fitnessclub kauft man nicht, weil man Leute beeindrucken will. Ist zumindest die Ausnahme. Meist hat man sich vorher eingeredet, dass man damit Geld verdienen wird. Weil man so viel Ahnung hat. Das gilt auch für uns, in Frankfurt am Main. Hier kennen wir uns aus. Ja bitte? Unsere Stadt. Nicht, dass es an warnenden Stimmen gemangelt hätte. Nope. Die Fläche ist cool, der Eigentümer ein gestandener Industriebaron, pragmatischer Hausverwalter, überschaubarer Wettbewerb. Machen wir. Was derart scharfsinnig durchdacht ist, endet meist in Tränen. 

Werbung. Los ging es schon bei der Bauaufsicht mit der Außenwerbung. Anbringung eines selbstleuchtenden Ausstecktransparentes. Geht nicht, zu groß, abgelehnt. Verdeckt die Sicht auf die Liebfrauenkirche. Ja vielleicht, wenn ich im Gully hocke. Seien Sie froh, früher hießen wir Baupolizei. Nächste Station, Flyer verteilen. Die Stadt hat alle Werberechte langfristig an Ströer verpachtet. Eine Woche vorher anmelden. Die Gebühren für den Einsatz von 1 bis 3 Promotern belaufen sich auf 250 Euro pro Tag, jeder zusätzliche Promoter 70 Euro. Preise zzgl. Mehrwertsteuer. Vorab also 297,50 an Ströer überweisen. Selber Preis, wenn es regnet. Stadtmöbel, auch Ströer, das Poster läuft elektrisch rauf und runter. Möbelgeschäft, Küchenausstatter, dann wir. Die Kinder sind ganz aufgeregt. Schwupps, schon sind wir wieder weg. Habt Ihr nicht gesehen? OK, wir warten noch mal. So viel Gaudi für 415 Euro im Monat, zwei Jahre fest. Das Parkhaus gehört der Stadt, nette Leute da. 250.000 Parktickets werden bedruckt mit unserem Logo und einem Gutschein. Ein Jahr später die Frage: Kam eigentlich mal wer mit so einem Ticket? Nein, nie, nicht einer. 

Personal. Nach Frankfurt kommen jede Woche tolle Leute. Meist aus dem Umland, viele fitnessinteressiert und gut ausgebildet. Sind motiviert wie Lutzi, wenn sie kommen. Es macht großen Spaß, sie einzuarbeiten, zu zeigen wie alles läuft, sie auf eine Führungsaufgabe vorzubereiten. Dann, nach ein paar Monaten, ebbt die Begeisterung irgendwie ab. Ich hab da einen Bekannten, der macht Personal Training für Investment Banker. 300 Euro die Stunde. Der Mitarbeiter wird häufiger mal krank, kommt zu spät, kündigt irgendwann. Bis zum Ende des Monats zahlen wir noch. Als der Mitarbeiter ein paar Monate später merkt, dass es mit dem Personal Training doch nicht so einfach abläuft, ist es zu spät. Das Vertrauen ist zerstört. Wenn Sie das ein paar Mal hintereinander gemacht haben, dann können Sie den Abba-Refrain, Here we go again, nicht mehr hören.

Nebenkosten. Die Fläche an sich war schön. Dumm nur, dass aufgrund der Mischnutzung die Büros den Großteil der Wärme verbrauchen, während wir die Heizkörper immer fest zugedreht halten. Ein Drittel der Wärmekosten des Gebäudes wird flächenbezogen verteilt und wir haben nun mal die größte Fläche. Alte Technik, geht nicht anderes. Der sympathische Industriebaron stößt die Immobilie ab. Zwischen uns und den neuen Eigentümer schiebt sich eine Kaskade von Dienstleistern. Ein direktes Gespräch? Ausgeschlossen.

Wettbewerb. Im Laufe der Zeit schießen neue Clubs um uns herum aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen. Bei sechs oder sieben haben wir aufgehört zu zählen. Man hat den Eindruck, dass die Fitnessinteressierten in der Stadt Clubhopping als einen Sport betrachten. Sechs Monate frei für Clubwechsler, das ist hier üblich. Es werden nie genug Mitglieder, trotz unsäglicher Anstrengungen. Die Mitglieder, die wir haben, sind sehr zufrieden. Schön leer bei Euch. Ein Freund kommt vorbei, einer der sich auskennt. Wir schildern die Situation und er wird ganz still.

Fazit. Die Frankfurter Innenstadt ist ein schwieriger Markt. Wir gingen mit dem falschen Konzept an den Start. Die Fläche war für den Preis zu klein. Der Kontakt zum Eigentümer wurde abgeschnitten. Letztlich sind wir aber an unserer eigenen Hybris gescheitert. Die letzte Stunde hat geschlagen. Wörtlich. Wir setzen uns neben die Theke, um die frustrierten Mitarbeiter aufzumuntern. Ein Mitglied kommt auf uns zu. Wir denken, ach wie nett, der möchte etwas Trost spenden, sich bedanken oder so. Doch die letzten Worte in den geheiligten Hallen, bevor die Tür das letzte Mal ins Schloss fällt: Kann ich die Haushaltswaage haben? Brauch noch eine.


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