Der KfW-Fragebogen im Bereich Gründerservice, Checkliste 1: Geschäftskonzept Businessplan, hat es in sich. Er gehört zu den besten Materialien für Existenzgründer auf dem deutschen Markt. Darin steht unter Punkt 7 die Frage: Gibt es vergleichbare Branchen, die eine Orientierungshilfe bieten? Die Antwort auf diese Frage ist nicht nur spannend in Bezug auf das geplante Projekt, sie sagt auch viel über die Person des Gründers aus. Wären wir bei der KfW, würden wir die Antwort auf diese Frage zuerst lesen.
Welche andere Branche ist dem Betrieb von Fitnessclubs ähnlich? Zunächst fällt einem natürlich der Handel ein, neudeutsch Retail. Retail und Fitness sind beide standortgebundene Dienstleistungen. Man mietet eine Räumlichkeit, bestückt diese mit Sachen, stellt Personal ein, schaltet Werbung und wartet auf Kunden. Eine Reihe von erfolgreichen Fitnessunternehmern, u.a. Rainer Schaller, kommen aus dem Handel. Von der räumlichen Anmutung her gibt es in der Tat Übereinstimmungen zwischen dem großflächigen Lebensmittelhandel und der Fitness. Jedoch verschwinden diese bei genauerem Hinsehen. Schlimmer noch, Erfahrungen im Handel können einem Erfolg in der Fitness sogar im Wege stehen. Dies liegt daran, dass im Handel die Waren möglichst rasch gedreht werden müssen. Die Palette kommt rein, Preisschild dran und los. Läuft das Zeug nicht, dann frag nicht nach Sonnenschein: Preis runter, Ware raus, nicht nachbestellen. Im Retail verschwindet die Ware also von der Palette wie Personen im Transporterraum der Enterprise, sobald die Flocken rieseln. Bei den Mannschaftsgraden oft auf Nimmerwiedersehen. Das ist im Fitnessgeschäft anders.
Der Verkauf einer Mitgliedschaft ist kein Abschied, sondern der Beginn einer Beziehung, die im Schnitt zweieinhalb Jahre dauert. Wenn Sie eine Mitgliedschaft zum falschen Preis verkaufen, dann haben Sie mehrere Jahre keinen Spaß daran. Eine nachträgliche Preisanhebung wird nicht in jedem Fall gern gesehen. Mal vorsichtig ausgedrückt. In einem Fitnessclub ist es also nicht mit dem Verkauf getan. Die Kosten kommen erst später in Form von Personalstunden, Materialverschleiß, Strom, Wasser, Reinigung usw. Dies ist jedoch nicht der einzige Unterschied zum Handel. Mitglieder trainieren nicht nur, sie reden auch miteinander. Was zahlst Du denn? Das ist eine Frage, deren Beantwortung in Sekunden eine mühsam aufgebaute Vertrauensbeziehung zwischen Betreiber und Mitglied ruinieren kann. Für jemanden, der viele Mitgliedschaften aus dem Empfehlungsgeschäft bezieht, bewirken falsche oder ständig wechselnde Tarife, dass Interessenten nicht auf Qualität und Service, sondern auf den Preis schauen. Anchoring nennen Ökonomen, was Sie da auslösen. Wer also Mitgliedschaften wie Pennenudeln raushaut, fängt sich ein teures und recht langwieriges Problem ein.
Witzigerweise gehört eine respektable Zahl von deutschen Fitnessanlagen Leuten aus der Spielstättenbranche. Nicht jedoch, weil es eine Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle gibt. Grund sind vielmehr die irrwitzigen Summen, die über Jahrzehnte mit Spielhallen verdient werden konnten und die schizophrene Regulierung dieses Sektors. Große Fitnessmarken hierzulande sind also zu Glas und Stahl gewordene Fluchtgelder aus einem hochprofitablen, aber völlig fachfremden Bereich. Diese Gelder wurden damals nicht in das eigene Kerngeschäft investiert oder an die Eigentümer ausgeschüttet, weil jahrelang ein reales Insolvenzrisiko für die gesamte Spielstättenbranche bestand. Die Insolvenzverwalter hätten sich im Fall der Fälle alle Ausschüttungen an die Eigentümerfamilien zurückgeholt. Also musste das Geld woanders vergraben werden, und das mit dem Vergraben hat richtig gut funktioniert. Zum Glück ist das Insolvenzrisiko nun weitgehend abgewendet. Auch haben die Familien inzwischen eingesehen, dass sich profitables Wachstum in der Fitness nicht mit der Brechstange erreichen lässt. Schon deshalb gehen sie neue Wege in der Vermögensverwaltung. Warren Buffet empfiehlt Indexfonds.
Wir sind der Meinung, dass die Fitnessbranche große Ähnlichkeit mit der Hotellerie besitzt. Zwar gibt es bei Hotels keine Abos und der Preis pro Besuch liegt deutlich höher als in der Fitness, aber die Parallelen sind doch eindeutig. So ist bei Hotels und Fitness die Qualität des Standorts von außergewöhnlicher Bedeutung. Die Anforderungen an die physikalische Infrastruktur sind, mit Ausnahme der Betten, ebenfalls ähnlich. Zudem sind Hotelgäste und Fitnessclubbesucher Wiederholungstäter. Sie kehren an den Ort der Tat zurück, wenn das Preis-Leistungsverhältnis stimmig war. Auch ist bei den meisten Hotels und Fitnessclubs, die es sich lohnt zu besuchen, die Qualität der Dienstleistung in hohem Maße von der Qualifikation und dem Engagement der Mitarbeiter abhängig. Die Hotelbranche ist im Gegensatz zur Fitness jedoch hoch professionell und besitzt eine langjährige Tradition in der Erbringung außergewöhnlicher Dienstleistungen. Dort können Fitnessbetreiber mehr lernen als beim nächsten Club an der Ecke.
Deshalb ist unser Angstgegner Nummer 1 in Deutschland Dieter Müller, der Gründer von Motel One. Nennen Sie uns paranoid, aber wir haben die Domain Fitness One reserviert, mit allen relevanten Endungen. Damit da bloß nichts anbrennt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.